Zum Inhalt springen

Hallo, hier DeepWrite. Lass uns gemeinsam deine Schreib- und Argumentationskompetenzen verbessern

Im vom BMBF geförderten Forschungsprojekt DeepWrite untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fakultätsübergreifend, was generative Sprachmodelle beim Einsatz in der Lehre in den Bereichen Rechts- und Wirtschaftswissenschaft leisten können.

Testen den Einsatz von generativer KI in der Lehre in Jura und Wirtschaft (von links): Sarah Großkopf, Prof. Dr. Urs Kramer, Simon Alexander Nonn, Deborah Voß und Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff.

Der juristische Gutachtenstil ist eine Wissenschaft für sich. Obersatz bilden, Tatbestandsmerkmale erkennen und definieren, subsumieren und zum Abschluss eine Konklusion ziehen. Generationen von Jurastudierenden stellen sich in den Anfangssemestern der Herausforderung, die juristische Denk- und Herangehensweise zu verstehen und unter anderem in Hausarbeiten, aber vor allem in allen Klausuren, bis zum Ersten Staatsexamen zur Anwendung zu bringen.

Jura ist eine Textwissenschaft. Mit den derzeitigen generativen Sprachmodellen gibt es inzwischen künstliche Intelligenz (KI), die auch in diesem Bereich erstaunliche Fortschritte macht. Hat sie das Potenzial, das Jurastudium zu revolutionieren?

Sarah Großkopf im Gespräch mit Prof. Dr. Urs Kramer, dem wissenschaftlichen Leiter des Projekts DeepWrite.

Sarah Großkopf und Simon Alexander Nonn kennen als Juristin und Jurist die Fallstricke im Studium selbst. Als Wissenschaftliche Mitarbeitende an der Universität Passau in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt DeepWrite sind ihre Werkzeuge nicht dicke Gesetzeskommentare in Form und Farbe von Backsteinen, sondern vor allem der Computer. In ihrer Arbeit mit dem KI-Tool ist derzeit insbesondere das Prompting als Kompetenz gefragt. Die Arbeitsanweisung an die KI so präzise zu formulieren, dass sie die juristische Vorgehensweise für Feedback widerspiegelt, ist Kernaufgabe im Projekt. Um Antworten von Studierenden vor allem in den Anfangssemestern hinsichtlich Struktur und Qualität bewerten zu können, wird der erarbeitete Prompt schleifenweise überarbeitet und nachjustiert.

Das interdisziplinäre Team von DeepWrite, an dem neben Juristinnen und Juristen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen Wirtschaft, Informatik, Pädagogik und UX beteiligt sind, hat ein Tool entwickelt, auf das Studierende in Zukunft auch über das Lern-Management-System Stud.IP Zugriff haben sollen. Schon jetzt gibt es die Möglichkeit, eine Testversion – den „legalArgueNiser“ – unter die Lupe zu nehmen.

Ein Vorteil der DeepWrite-Anwendung liegt darin, dass sie sofort individuelles Feedback zu Inhalt und Stil geben kann. Das ist gerade in den großen Vorlesungen der Anfangssemester sonst nicht immer möglich. Allerdings steht das Tool noch vor der Herausforderung, auch abweichende Lösungsansätze zufriedenstellend zu bewerten.

„Dass die KI sozusagen echte oder scharfe Klausuren wie die Zwischenprüfung allein korrigiert, ist utopisch“, sagt Großkopf. Sie könne zwar schon jetzt kleinere, standardisierte Fälle korrigieren. „Das Tool erreicht aber noch nicht die gleiche Qualität und Tiefe wie eine gute menschliche Korrektur.“ Das sei aber auch gar nicht das primäre Ziel. Nicht nur aus technischen Gründen sei der Einsatz der KI bei Abschlussprüfungen nämlich problematisch. Denn unter anderem im Bildungsbereich sind die Vorgaben der Verordnung über künstliche Intelligenz der EU (KI-VO) zu beachten, die seit August 2024 auf europäischer Ebene die Nutzung von künstlicher Intelligenz regelt.

Juristinnen und Juristen wie Simon Alexander Nonn bringen in das Projekt ihre Expertise hinsichtlich Datenschutzbestimmungen und den Regulierungsvorgaben ein.

Bildung fällt in den Hochrisikobereich und damit gelten besonders hohe Hürden für den Einsatz von KI. Problematisch wäre so zum Beispiel ihre Nutzung bei der Korrektur der Ersten Juristischen Staatsprüfung, die maßgeblich über den weiteren „Verlauf der Bildung und des Berufslebens einer Person“ entscheidet, wie es in der KI-VO heißt. Auch für solche Einschätzungen sind Juristinnen und Juristen wie Sarah Großkopf oder Simon Alexander Nonn aus dem Team von Prof. Dr. Urs Kramer im Forschungsprojekt DeepWrite zuständig.

Kramer ist Professor für Öffentliches Recht am Institut für Rechtsdidaktik der Universität Passau und der Gesamtleiter des interdisziplinären Projekts. Sein Team testet nicht nur, wie weit die Technik ist, um in der Lehre zum Einsatz zu kommen. Es prüft auch, ob ihr Einsatz rechtlich unbedenklich ist. Unproblematisch etwa ist es, wenn die KI Studierende beim Lernen und Üben unterstützt oder Übungsaufgaben bei der Vorbereitung auf die Examina korrigiert. Darauf liegt daher auch der Fokus bei DeepWrite.

Publikation aus dem juristischen Teil:

Deborah Voß und Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff vom wirtschaftswissenschaftlichen Teil des Projekts DeepWrite arbeiten in der Lehre mit der Anwendung "econArgueNiser".

KI als Tutorin in den Wirtschaftswissenschaften

Der „legalArgueNiser“ ist eine Weiterentwicklung des „econArgueNisers“ aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Teil des Projekts. Ökonominnen und Ökonomen um Prof. Dr. Graf Lambsdorff, Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Wirtschaftstheorie, experimentieren seit mehr als zehn Jahren mit Online-Anwendungen in der Lehre. Den Anfang nahm alles mit classEx, einer Software, die inzwischen in Hörsälen und Klassenzimmern weltweit zum Einsatz kommt. Studierende sowie Schülerinnen und Schüler können damit spielerisch Experimente wie das Gefangenendilemma erfahren.

Melika Mirza Agha Khan (hinten links) gehört zum Team des Zentrum für Informationstechnologie und Medienmanagement (ZIM), das dafür sorgt, dass Anwendungen wie der "econArgueNiser" in die Lernplattform Stud.IP integriert werden.

Durch das DeepWrite-Projekt erhielt classEx leistungsstarke Schnittstellen zu verschiedenen KI-Modellen – eine Entwicklung, die Prof. Dr. Graf Lambsdorff begeistert: „Es ist unglaublich, was die Technik bereits leisten kann.“ So hat das Team im Rahmen des Projekts verschiedene Anwendungen entwickelt, mit denen Studierende KI-generiertes, individualisiertes auf Lehrinhalte abgestimmtes Feedback in Echtzeit erhalten. Dazu gehört auch der „econArgueNiser“, mit dem Studierende gezielt ihre Fähigkeiten im Argumentationsaufbau im wirtschaftswissenschaftlichen Kontext trainieren können. Dazu geben sie ihre Antwort auf eine offene Frage anhand verschiedener, relevanter Argumentationsbausteine ein und die Anwendung liefert individuell zugeschnittenes Feedback zu inhaltlichen und stilistischen Fragen. DeepWrite-Tools wie der „econArgueNiser“ übernehmen inzwischen in der Lehre im Bereich der Institutionenökonomik und der Makroökonomik die Aufgaben einer Tutorin oder eines Tutors.

Neben der Entwicklung von Anwendungen ist das Team um Prof. Dr. Graf Lambsdorff insbesondere in die wissenschaftliche Evaluierung der KI-Tools involviert – als Tutorenersatz, aber auch als möglicher Korrekturassistent. „Die KI scheint bei der Bewertung studentischer Antworten prinzipiell ein wenig großzügiger zu sein als menschliche Korrektorinnen und Korrektoren“, sagt Deborah Voß, die gemeinsam mit Stephan Geschwind und Elaheh Alinezhad als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Prof. Dr. Graf Lambsdorff für DeepWrite arbeitet. Das Potenzial von KI-Tutoren als Ergänzung zur Lehre schätzt sie hoch ein: Denn bei einer großen Anzahl an Studierenden sei es geradezu unmöglich, jedem und jeder individuell gerecht zu werden. Die KI hingegen könne dies.

Damit die Technik läuft, wird das Team um Prof. Dr. Graf Lambsdorff von Programmiererinnen und Programmierern unterstützt, die der Lehrstuhl für Data Science von der Fakultät für Mathematik und Informatik eigens dafür abgestellt hat. Denn bei den rasanten Entwicklungen auf dem Feld der generativen künstlichen Intelligenz ist es wichtig, diese im Blick zu behalten. Genau das ist auch die Aufgabe der Informatikerinnen und Informatiker, die an dem Projekt beteiligt sind.

Nah dran an den Entwicklungen im Bereich der generativen künstlichen Intelligenz: das Data-Science-Team um Prof. Dr. Michael Granitzer.

Wenn eine KI-Revolution eine Neuorientierung erfordert

DeepWrite startete im Dezember 2021, ein Jahr bevor das US-amerikanische Software-Unternehmen OpenAI die Sprach-KI ChatGPT auf den Markt brachte und damit generative künstliche Intelligenz in Form von großen Sprachmodellen einer breiteren Masse bekannt machte. Dass Entwicklerinnen und Entwickler mit neuen Möglichkeiten der Online-Suche experimentieren, war vorher nur in Fachkreisen bekannt. Dazu zählt auch das Team am Lehrstuhl für Data Science von Prof. Dr. Michael Granitzer. Dieser zieht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt nach Passau, die führend in Teilbereichen der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine sind. Beispielsweise entwickelt die Nachwuchsforschungsgruppe CAROLL unter der Leitung von Dr. Jelena Mitrović Ontologien, mit deren Hilfe Maschinen rhetorische Figuren erkennen können. Ein Wissen, das auch bei DeepWrite zum Einsatz kommt, etwa wenn es – wie im Beispiel oben – darum geht, der Maschine den juristischen Gutachtenstil beizubringen oder das Argumentieren in den Fächern Jura und Wirtschaft zu verbessern.

Das Konzept von DeepWrite sah ursprünglich vor, dass das interdisziplinäre Projektteam mit Hilfe von Deep Learning, einer Methode des maschinellen Lernens, ein eigenes KI gestütztes Assistenzsystem entwickelt. Mit dem Start der Sprach-KI ChatGPT stand aber plötzlich eine generative künstliche Intelligenz zur Verfügung, die diese Fähigkeiten mit Blick auf die Analyse von Sprache und die Produktion von Text bereits hatte.

Themenseite

Generative Sprachmodelle haben disruptive Auswirkungen. An der Universität Passau untersuchen Forschende interdisziplinär die technischen, gesellschaftlichen, ethischen und rechtlichen Folgen.

Für ein wissenschaftliches Drittmittel-Projekt ist das ein Problem. Denn die bewilligten Mittel sind grundsätzlich an den Antrag und die darin vorgesehenen Arbeitspakete gebunden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen im Detail darlegen, wofür sie die beantragten Mittel während der Projektlaufzeit einsetzen wollen.

„Wenn sich ein Arbeitspaket so grundlegend ändert, dass man es im Grunde austauschen muss, dann ist das erst einmal Grund für Aufregung“, erklärt Juristin Sarah Großkopf. Man sei in der Pflicht, dies gegenüber dem Projektträger zu rechtfertigen, etwa in Form von Zwischenberichten.

DeepWrite wird im Rahmen der Initiative „Künstliche Intelligenz in der Hochschulbildung“ gefördert. „Damit waren wir nicht die einzigen Projekte, die umdenken mussten“, sagt Großkopf. Das BMBF brachte die betroffenen Projekte universitätsübergreifend zusammen. Man beriet intern, aber teilweise auch in gemeinsamen Workshops, wie nun weiter vorzugehen sei.

Im Falle von Passau steht für das Informatik-Team nun nicht mehr die Entwicklung eines eigenen Prototyps im Mittelpunkt als vielmehr das Beobachten und Testen neuer Modelle, die seit dem Start von ChatGPT wöchentlich auf den Markt kommen. Welche davon eignen sich besonders gut für den Einsatz in den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften? Wie lassen sich darauf Anwendungen wie der „ArgueNiser“ aufbauen? Die Informatikerinnen und Informatiker experimentierten beispielsweise auch mit dem Modell von Aleph Alpha, dem deutschen KI-Startup aus Heidelberg. Das Fazit: Das Modell erfülle zwar die europäischen Datenschutzbestimmungen, könne aber mit den Fähigkeiten von ChatGPT noch nicht mithalten. Open Source-Modelle rücken immer mehr in den Vordergrund; so wird auch schon ein kleineres Modell von DeepSeek im Projekt evaluiert.

Verknüpfung mit anderen Bereichen an der Universität Passau

Dass die Anwendungen bereits an der Universität Passau in der Lehre zum Einsatz kommen, verdankt das Projekt der Beteiligung des Zentrums für Informationstechnologie und Medienmanagement, das für die Steuerung, Entwicklung und Erbringung der IT-Services rund um den Campus zuständig ist. Bei der Entwicklung hybrider Lernformate arbeitet die Einrichtung eng mit der Wissenschaft zusammen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln Möglichkeiten, wie die für Jura und Wirtschaft spezifizierten Tools auf der Lernplattform Stud.IP in der sogenannten asynchronen Lehre eingesetzt werden können. Das heißt, die Studierenden können damit das im Hörsaal Gelernte zu Hause vertiefen und üben – mit sofortigem individuellem Feedback.

Zudem erforscht Yujin Kang im Bereich User Experience (UX), wie Studierende und Dozierende die Angebote von DeepWrite sowie die damit verbundenen System- und Service-Erfahrungen positiv wahrnehmen können. Ziel ist es, den Nutzenden die Verwendung des neuen Tools von DeepWrite mithilfe von Schulungsmaterialien zu erleichtern.

Auch von pädagogischer Seite wird das Projekt eng begleitet. Zuständig dafür sind die Didaktischen Innovationslabore mit einem Team um Dr. Christian Müller und Veronika Hackl. Dieses entwirft Szenarien für den Einsatz von KI in der Hochschuldidaktik und untersucht die Wirksamkeit von KI-generiertem Feedback. Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Unternehmerin Hackl sieht sich dabei auch als eine Art KI-Botschafterin: Sie untersucht nicht nur, wie sich mit Hilfe von KI Kompetenzen erweitern lassen. Sie kennt auch mögliche Vorbehalte beim Einsatz. Aufklärungsarbeit ist ihr deshalb wichtig.

Das leistet sie mit Hilfe ihres Linkedin-Profils und liefert damit ein Beispiel, wie eine interaktive Form der Wissenschaftskommunikation auf Social Media gelingen kann. Regelmäßig setzt sie Posts zu neuen Entwicklungen und Studien ab; sie formuliert kurz und prägnant, ordnet ein und kommt mit wenigen Sätzen auf den Punkt. Die Posts stoßen auf reges Interesse und werden zahlreich kommentiert. Sie diskutiert mit den Nutzerinnen und Nutzern und weist auch auf Fehlentwicklungen hin.

Ihr ist es wichtig, transparent zu machen, wie künstliche Intelligenz arbeitet, Stichwort AI Literacy: „Wir alle müssen noch besser verstehen, was mit KI möglich und nicht möglich ist und welche Potenziale und Risiken damit einhergehen“, sagt sie. Durch ihre Expertise im Bereich Prompting unterstützt sie zudem immer wieder in den Bereichen Jura und Wirtschaft.

Auch das Projekt DeepWrite legt Wert auf Transparenz: Die Ergebnisse stellt das Team der wissenschaftlichen Gemeinschaft Open Access, also frei zugänglich, zur Verfügung, damit andere Fachdisziplinen darauf aufbauen können und mit den Erkenntnissen aus Passau weiterarbeiten können.

Bluesky

Beim Anzeigen des Videos wird Ihre IP-Adresse an einen externen Server (Vimeo.com) gesendet.

Video anzeigen