Der Lehrstuhl für Romanische Literaturen und Kulturen an der Universität Passau ist seit vielen Jahren international besetzt. Forschende aus sieben verschiedenen Ländern, Stipendiatinnen und Stipendiaten ebenso wie fest Studierende, Promovierende oder Habilitierte sowie wechselnde Gastwissenschaftler, arbeiten hier zusammen an unterschiedlichen Projekten und Themen. Viele von ihnen kommen aus Lateinamerika, denn der Forschungsschwerpunkt des Lehrstuhls ist die spanischsprachige Romania. Seit 1. April ergänzen Dr. Malena Pastoriza und Dr. Federico Cortés das Team.
Gemeinsame Forschungsthemen
„Wir freuen uns beide sehr, gemeinsam hier in Passau sein zu können“, sagt das Ehepaar, das in Argentinien an der Universidad Nacional de Río Negro tätig ist, Malena Pastoriza als Dozentin am dortigen Lehrstuhl für Argentinische Literatur, Federico Cortés als Postdoc und Literaturwissenschaftler. Malena hat im April an der Universität Passau ein zweijähriges Stipendium begonnen, das die Alexander-von-Humboldt-Stiftung an junge, besonders begabte und erfolgreiche Nachwuchsforscherinnen und -forscher vergibt. Damit ist sie die sechste Humboldt-Stipendiatin am Lehrstuhl für Romanische Literaturen und Kulturen von Prof. Dr. Susanne Hartwig. Der Kontakt zwischen der jungen Argentinierin und der Passauer Professorin entstand auf einer Konferenz vor zwei Jahren in Passau, bei der es um die Frage ging, wie mit Behinderung in Literatur und Film umgegangen wird. Ein Thema, das beide gleichermaßen interessiert: „Wir erforschen hier in Passau seit rund zehn Jahren Vorstellungsbilder von Behinderung in Literatur, Theater und Film. Unser übergreifendes Dachprojekt heißt ‚Images of Disability‘, das ich zusammen mit meinem spanischen Kollegen Prof. Dr. Julio Checa (Universidad Carlos III) leite. Bislang lag der Schwerpunkt auf Europa, besonders auf Spanien. Nur punktuell haben wir lateinamerikanische Länder einbezogen. Ich freue mich, dass wir mit Frau Pastoriza eine Forscherin gewinnen konnten, die schwerpunktmäßig zu Argentinien forscht“, so Prof. Dr. Susanne Hartwig.
Teamarbeit am Lehrstuhl
Malena Pastoriza fasst ihr Forschungsvorhaben in Passau so zusammen: „Ich beschäftige mich mit der Darstellung von Behinderung in der argentinischen Literatur. Mein Ziel ist es herauszufinden, wie dies die Wahrnehmung des Themas Behinderung verändert.“ Vier Hauptwerke untersucht sie dabei, darunter eines von einem Autor, der selbst eine Behinderung hat. „Besonders für ihn ist es wichtig, dass er nicht als eine Art Allgemeinvertreter von Schriftstellern mit Behinderung gesehen wird, sondern unabhängig davon in seiner Individualität.“ In Passau will sie an Publikationen zu ihren Forschungen arbeiten und dabei nicht nur vom umfassenden Angebot an Recherchemöglichkeiten in der Universitätsbibliothek, sondern auch vom Wissen und der Erfahrung des Lehrstuhlteams und vom großen nationalen und internationalen Netzwerk von Professorin Hartwig profitieren. „Diese Möglichkeit, mich mit anderen auszutauschen und an der Arbeit des ganzen Teams teilzuhaben, gibt es so für mich in Argentinien nicht“, erklärt sie. „Die Universidad Nacional de Río Negro ist über viele Standorte verteilt, einen echten Campus mit Büros für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wir nicht. Wir arbeiten dort sehr viel mehr für uns alleine.“
Vier Monate Passau, dann Wuppertal
Das bestätigt auch ihr Ehemann Federico Cortés, der 2022 seinen Doktor in Literaturwissenschaft gemacht hat. Er wird als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) für vier Monate in Passau leben und arbeiten und danach an die Universität Wuppertal wechseln. Dort hat er zusammen mit seiner jetzigen Frau bereits ein Austauschsemester während der Studienzeit absolviert. Im September kehrt er dorthin zurück – mit einem Humboldt-Stipendium wie seine Ehefrau. Mit dem dortigen Inhaber der Professur für spanische und französische Literaturwissenschaft, Prof. Dr. Matei Chihaia, arbeitet der Lehrstuhl Hartwig schon seit rund zehn Jahren in vielen Projekten zusammen.
Federicos Forschungsarbeit zu ethischen Fragen in der Literatur in der Zeit des politischen Widerstands gegen die Diktatur in Argentinien passt bestens zum zweiten großen Themenschwerpunkt des Passauer Lehrstuhls für Romanische Literaturen und Kulturen: Ethics and Literature. „Auch bei diesem Forschungsschwerpunkt geht es – wie bei dem Projekt ‚Images of Disability‘ – um die besondere Funktion, die fiktionale Texte in den verschiedensten Medien für die jeweiligen Kulturen übernehmen. Im Projekt von Herrn Cortés liegt der Fokus auf der Zeit nach der argentinischen Militärdiktatur“, so Hartwig.
Sicherheit in politisch unsicheren Zeiten
Für junge Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler wie Malena und Federico bedeutet die derzeitige politische Lage in Argentinien eine große Unsicherheit. Förderprogramme und finanzielle Unterstützung, auf die sie angewiesen sind, haben keinerlei Garantie . „Wir wissen oft nicht, ob wir im nächsten Monat noch eine Anstellung an der Universität haben oder nicht.“ Umso mehr schätzen sie die Sicherheit, die sie dank der Stipendien in den kommenden zwei Jahren haben. „Dafür sind wir unendlich dankbar.“
Neben ihrer Arbeit an der Universität freuen sie sich darauf, in der verbleibenden gemeinsamen Zeit in Passau die Stadt und die Umgebung zu entdecken. „Wir sind keine Großstadtmenschen und genießen es, dass wir hier alles zu Fuß erreichen können. Wir freuen uns jeden Tag, dass wir hier sein können.“
Text: Nicola Jacobi
Prof. Dr. Susanne Hartwig
Wie beeinflussen fiktionale und dokumentarische Texte unsere Vorstellungen von Behinderung?
Wie beeinflussen fiktionale und dokumentarische Texte unsere Vorstellungen von Behinderung?
Prof. Dr. Susanne Hartwig ist seit 2006 Inhaberin des Lehrstuhls für Romanische Literaturen und Kulturen an der Universität Passau. Sie studierte Altphilologie und Romanistik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Hartwig absolvierte Studien- und Forschungsaufenthalte in Frankreich, Italien, Spanien, Costa Rica und Brasilien. Sie war Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung, der Studienstiftung des deutschen Volkes und des Emmy-Noether-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft.